Verpflegung aus dem Supermarkt
Oder wie mich das Rabatte-Fieber packte
von Petra Siehndel
Es gibt wohl nichts langweiligeres, als in deutschen Supermärkten einkaufen zu gehen. Schon der Umstand immer eine Münze parat haben zu müssen, um einen Einkaufswagen nutzen zu dürfen, vergellt mir den Einkaufsspaß. Und sobald ich den Supermarkt betrete, fühle ich mich gefangen, denn es gibt an allen Ausgängen Schranken, die mich hindern den Laden zu verlassen, wenn ich das Produkt, was ich zu kaufen erhoffte, nicht fand oder in einem Zustand, der mich betroffen macht. Noch nicht einmal die menschliche Komponente läßt mich einen Supermarkt in meinem Wohnviertel bevorzugen, was durch die Einführung des Flaschenpfands noch erheblich dramatisiert wurde. In einem Supermarkt muß ich an einer Tür klingeln und warten, bis sich jemand erbarmt, um mein Pfandgut loszuwerden, wobei eine alte zerschlissene Kiste als Abladerampe dient. Bei einem anderen Supermarkt erhielt ich einen Pfandzettel, den ich bei der Rückgabe der Flaschen gar abstempeln lassen sollte, um an meine 50 Cent zu kommen. Und ich fühle mich wie ein gesuchter Betrüger, wenn ich an der Kasse aufgefordert werde, mal meine Handtasche anzuheben, zur Kontrolle, ob ich darunter geklaute Ware deponiert habe. Liebe LeserInnen streifen Sie all diese Erlebnisse ab, wenn Sie sich in meinem Erfahrungsbericht wiederfinden und gehen Sie unbedingt, sozusagen als therapeutische Maßnahme, in einem amerikanischen Supermarkt einkaufen.
In San Francisco und der East Bay konkurrieren zwei Supermarktketten um die Gunst des Kunden: Safeway und Albertson, wobei Safeway ein besseres und Albertson ein preiswerteres Angebot haben. Eines ist jedoch beiden gemeinsam - die Kauflust wird durch breit angelegte Rabatt-Aktionen geschürt.
Daher mein Tipp: Wenn Sie bei einem befreundeten Amerikaner wohnen, so leihen Sie sich für Ihre Einkäufe unbedingt die Kundenkarte oder überreden Sie ihn/sie sich diese jetzt austellen zu lassen, um von den vielen Angeboten zu profitieren und bares Geld zu sparen. Ich schnappe mir also lässig einen Wagen von einer vor dem Supermarkt geparkten Einkaufswagenkette und fahre durch die sich automatisch öffnenden Türen. Auf dem Speisezettel für unser Dinner steht heute ein deutsches Gericht, nämlich Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelbrei. Das besondere sind die Bratwürste, die aus Chicken und Apfelstücken hergestellt sind. Hört sich schräg an, schmeckt aber köstlich und nennen sich schlicht "chicken sausages". Dazu empfehle ich Ihnen ein besonderes Highlight, einen Senf der Marke "grey poupon", der unglaublich lecker ist. Jetzt fehlt noch ein schöner Wein. Der kalifornische Rotwein ist wohl das betörendste Getränk, das ich je an einem lauen Sommerabend genoß. Die Regale sind prall gefüllt mit Weinen der besten kalifornischen Anbaugebiete. Ich studiere die Angebote und freue mich, dass die 1,5 l Flasche Merlot von "Mondavi" heute anstatt 13,99 $ für 8,99 $ angeboten wird - wohlgemerkt mit der hauseigenen Kundenkarte. Empfehlenswert auch der "Woodbridge" oder "Delicato".
Ich schlendere weiter zu den üppigen Gemüseauslagen, um schon den Salat für den morgen geplanten "caesars chicken salad" einzukaufen und glaube mich verhört zu haben. Es donnert! Meine Augen werden zu kleinen Schlitzen, während ich besorgt zum Ausgang blicke...strahlender Sonnenschein. Wieder höre ich es donnern und kann es nicht fassen. Das in gleißendes Licht getauchte Gemüseregal wird von feinen Wasserstrahlen beregnet, was den Gemüsesorten eine besonders frische Note verleiht und da höre ich es erneut: Es donnert über dem Gemüseregal. Nein, ist das unterhaltsam, Supermarkt-Entertainment vom Feinsten. Es ist fast schon ein erotischer Anblick, wie sich die Karotten und Zucchini feldfrisch im Gemüseregal anbieten. Wer kann sich diesem Anblick entziehen. Als ich mir gerade ausmale, wie perfekt jetzt ein im Spektrallicht glitzernder Regenbogen wäre, der sich über das gesamte Gemüse Arrangement spannt, fragt mich ein netter Verkäufer mit einem verschmitzten Lächeln, ob ich etwas suche und stammelnd versichere ich, das alles bestens sei. Nachdem ich das benötigte Gemüse mit feuchten Fingern im Wagen verstaut habe, steuere ich meinen Wagen zu den Sossen. Ein Chicken Salad ohne "Cardini´s Original Caesar Dressing" kann schon mal einen Abend ruinieren. Ich studiere noch einige andere Angebote. Die Nudelsosse mit frischem Gemüse bekomme ich heute im "2 für 1" Angebot, was so viel bedeutet, ich zahle den Preis einen Glases, wenn ich zwei mitnehme. Ich kann nicht widerstehen und pack mir die Gläser in den Wagen. Kaffee aus dem Supermarkt ist nur bedingt empfehlenswert. Wenn Sie Kaffeegenießer sind und wie ich morgens einen edlen Kaffee bevorzugen, sollten Sie sich den "french-columbian-mix" aus der Castro Cheesery (erhältlich Ecke Castro und Market, gleich neben dem historischen Kino) besorgen. Dieser Kaffee nimmt es spielend mit deutschen Produkten auf, eine rassige Mischung mit vollwürzigem Geschmack und hinreißendem Duft. Sie werden es nicht bereuen! Mein letzter Gang ist der zu den Brotauslagen, denn ohne frische Bagels kann ich den Tag nicht starten. Da fällt mir ein, ich brauche für meine Bagels noch Frischkäse und steuere meinen Wagen noch einmal quer durch den Markt zu den Kühlregalen. Mir fällt auf, wie sauber der Markt ist. Die Böden glänzen, keine bemitleidenswerten Produkte in den Regalen, Verkäufer, die kleine Absperrungen aufbauen, weil der Boden ein wenig feucht wurde und die vielen anderen Menschen, die zum Einkaufen da sind, von denen keiner drängelt oder gehetzt mit mürrischen Gesicht durch den Laden läuft. Es ist ein Flanieren, ein Einkauf mit Stil und wenn sich ein Mensch dem Regal nähert, vor dem ich gerade gebannt die Angebote studiere, hält er entweder Abstand und wartet mit einem Lächeln, bis ich mich entschieden habe oder fährt mit einem freundlichen "excuse me" an mir vorbei.
Nach fast einer Stunde steuere ich eine der vielen geöffneten Kassen an. Mir fällt sofort auf, dass die Kassierer nicht sitzen, sondern im Stehen arbeiten. Mit fast jedem Kunden wechseln sie ein paar freundliche Worte, warten geduldig auf die Ausstellung der Schecks, packen währenddessen die Einkäufe des Kunden in Tüten und fragen, ob jemand behilflich sein soll die Einkäufe zum Wagen zu bringen. Strahlend packe auch ich meine Eroberungen des Tages auf das Laufband. Als der Kassierer den letzten Artikel eintippt und abrechnet, ertönt ein Signal. Auf meinen verwirrten Blick hin erklärt er mir, dass ich mit meinem Einkauf einen Bonus gewonnen habe. Ich bekomme noch einmal 10 % des Wertes, den ich durch die Karte an Ersparnissen generiert habe zur freien Verfügung, was meinem Shoppingerlebnis sozusagen die Krone aufsetzt. Der Kassenbon bescheinigt mir zudem einen guten Kauf, denn ich habe mit der Karte heute gut 15 $ gespart. Beschwingt trage ich meine Tüten nach Hause und berichte Uwe in allen Einzelheiten von meinen Abenteuern, die er verschmitzt lächelnd quittiert:
That's America...
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