Winchester Mystery House
Das faszinierende Werk einer geplagten Seele
von Petra Siehndel
Sarah Pardee wurde 1839 in New Haven, Connecticut, geboren. Sie heiratete William Winchester, den zweiten Generaldirektor der Winchester Repeating Arms Company, am 30.September 1862. Annie, das einzige Kind des Paares, wurde vier Jahre später geboren, verstarb aber sechs Wochen später an einer seltenen Kinderkrankheit. William verstarb 1881 an Tuberkulose und Sarah war allein und deprimiert. Die nur 1,47 m kleine Frau kaufte sich in San Jose, Kalifornien, ein 8 Zimmer Haus. Die Legende besagt, dass ein Wahrsager ihr mitteilte, dass die Geister der von einer Winchester Rifle getötete Menschen, ihre Tochter und ihren Mann getötet haben. Mrs. Winchester glaubte, sie könne ewig leben, wenn sie die Geister besänftigen könne und begann einen 38 Jahre währenden Bau an ihrem Haus, das heute einmalig ist und auf wunderbare Weise verwunschen und voller Geister erscheint.
Die Fahrt nach San Jose geht zügig voran und nach einer halben Stunde betreten wir das Anwesen des berühmt berüchtigten Winchester Mystery Houses. Zunächst erscheint in der Lobby alles sehr touristisch mit Regalen voller Andenken und Touristenkitsch. Der Eintrittspreis ist mit $ 26 pro Person gepfeffert, aber wir nutzen unsere Coupons, die wir auf www.baycityguide.com ausgedruckt und ausgeschnitten haben und bekommen immerhin $ 2 Rabatt pro Person. (Sie finden den Coupon unter der Überschrift, wo sich ein pdf Dokument öffnet beim Anklicken)
Es gibt unterschiedliche Touren, aber wir entscheiden uns für die Mansion Tour, die ca. eine Stunde dauert und durch 110 der 180 Räume des bizarren Hauses führt. Es ist eine faszinierende Tour zurück in die Vergangenheit, ein Eintauchen in das Leben einer Frau, die tatsächlich bis zu ihrem Tode im Jahr 1922 an diesem prächtigen Herrschaftshaus arbeiten liess, die der Nachwelt ein Erbe hinterliess, das mehr oder weniger Aufschluss über die Psyche einer Frau gibt, die sich zeitlebens von Geistern verfolgt fühlte, die reich aber arm zugleich war.
Unsere Tour startet in der Kutschen Eingangshalle. Dort hängt das einzige Bild von Sarah Winchester. Sie erbte das Vermögen ihres Mannes, ca. 20 Mio. Dollar plus Tantiemen auf Aktien des Unternehmens. Sie hatte ein steuerfreies Tageseinkommen von ca. $ 1.000. Sie bezahlte ihre Arbeiter sehr gut, aber bei der leisesten Kritik an ihrem Bauvorhaben oder ihrer Person wurden die Leute unverzüglich ausgewechselt. Sie beschäftigte zwischen 40 und 60 Personen, die das doppelte Durchschnittsgehalt von $ 3 pro Tag erhielten. Gewerkelt wurde das ganze Jahr hindurch, jeden Tag. Das Haus weist sehr viele Kuriositäten auf, wobei nicht sicher ist, ob Sarah Winchester lediglich eine schlechte Architektin war oder ob sie die Geister verwirren wollte, von denen sie sich verfolgt fühlte. So finden sich im Haus unerklärliche Treppenaufgänge, die ins Nichts führen oder Fenster und Türen hinten denen lediglich eine Wand ist. Durch das ganze Haus ziehen sich kleine Stufen in teils schmalen Gängen. Die kleine Frau Winchester litt nämlich unter starker Arthritis und die kleinen Stufen waren von ihr leichter zu bewältigen.
Angeblich besuchte Frau Winchester jeden Abend das so genannte Seance Zimmer, wo sie Bauanweisungen von den Geistern der mit einer Winchester Getöteten bekam. Die Tour führt durch weitere interessante und imposante Räume, wie eine Küche von 1906, dem grossen Ballsaal, einem venezianischen Esszimmer, das Chrystal Schlafzimmer und das Daisy Schlafzimmer, welches mit wundervollen Buntglasfenstern im Margariten Design ausgestattet ist. Margariten waren die Lieblingsblumen von Sarah Winchester. In diesem Raum wurde sie auch von ihren Angestellten nach dem Erdbeben 1906 gefunden. Sie war darin eingesperrt und als man sie fand, muss sie sehr verwirrt gewesen sein. Sie deutete das Beben als Hinweis der Geister, sie hätte zu viel Geld für den vorderen Teil des Hauses ausgegeben. Kurzerhand liess sie die 30 vorderen Räume vernageln. Beeindruckend sind auch die Personal Ruftasten, die wie eine Art Fernsprecher funktionierten. So konnte Sarah Winchester ihr Personal von überall im Haus zu sich rufen und es wurde angezeigt, in welchem Raum sie sich befand. Immerhin hatten sich die Angestellten am Ende in einem Haus mit insgesamt 160 Zimmern auf 7 Stockwerken zurecht zu finden, das 6 Küchen, 40 Schlafzimmer und 467 Türgänge hatte.
Das Haus ist einmalig, nicht nur wegen des Baus, auch die verbliebenen Möbel und das Geschirr, die alten Stofftapeten im Ballsaal, die wunderschönen Spiegel und kostbaren Fenster erleichtern die Vorstellung, in welchem Prunk das Anwesen einst erschienen sein muss. Es fiel mir ebenso leicht mir im grossen Ballsaal tanzende Paare vorzustellen, denen kleine Gläschen mit Likör serviert werden. Der aus Deutschland importierte Kronleuchter wurde um eine 13. Gasöffnung erweitert und die Buntglasfenster tragen Shakespear Zitate, wie "Wide unclasp the tables of their thoughts" oder "these same thoughts people this little world". Welche Bedeutung diese Zitate für Mrs. Winchester hatten, ist nicht bekannt. Leider wurde das meiste Mobiliar auf einer Auktion verkauft. Die Möbelpacker beluden 6,5 Wochen lang täglich acht Lastwagenladungen um das Haus zu leeren.
Fazit: Der Besuch ist sein Geld wert. Die Führung ist informativ, wenn auch ein wenig hektisch, weil die nächste Besuchergruppe einem immer auf den Fersen ist. Nach Abschluss des Rundgangs ist meine Einschätzung, dass ich mich darin gnadenlos verlaufen würde. Aber war das nicht das Ziel von Frau Winchester? Ob Geist oder nicht, sie hat sich mit dem Haus ein würdevolles Andenken gesetzt. Das Haus ist faszinierend und gespenstisch gleichermassen durch die vielen Türen, Gänge und Fenster. Wie konnte sich eine kleine Frau in dem Labyrinth zurecht finden? Mrs. Winchester starb 1922 im Hauptschlafzimmer im Alter von 82 Jahren an Herzversagen und wurde im Evergreen Cemetery in New Haven, Connecticut, neben ihrem Mann und Kind begraben. Sie möge endlich in Frieden ruhen neben ihren Lieben.
Weitere Infos finden Sie unter www.winchestermysteryhouse.com
In jedem Fall empfiehlt sich ein anschliessender Besuch des Winchester Firearms Museum, wo alte Waffen angeschaut werden können (kostenlos).